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Ausgestreut und verweht

Zwei sehr gut befreundete junge Frauen, die sich bis anhin immer alles sagen konnten und ihre Geheimnisse für sich bewahrten, stritten sich eines Tages so heftig, dass dadurch ihre Freundschaft zerbrach. Die Eine der zwei Frauen war sehr erbost und zutiefst verletzt, weil die Andere einfach aus der Wut heraus das ihr Anvertraute weiter erzählte, so dass diese sich als unangemessene Unwahrheiten entwickelten und später sogar zu falschen Gerüchten ausbreiteten.

Die Ehrliche von Beiden war derart entsetzt und traurig zugleich, dass sie beschloss, ihre Widersacherin zur Rede zu stellen. Danach versprach die Einsichtige es nicht wieder zu tun und bat um Verzeihung. Sie wollte Alles ZURÜCKNEHMEN, und fragte an, ob sie, die Betroffene bereit wäre, wieder Freundschaft mit ihr zu schließen. Sie beteuerte auch, dass sie alles dafür tun würde...

So überlegte die ehemalige beste Freundin und sagte schließlich:
"Warum sollte ich dir nicht vergeben? Als Beweis dass du es ehrlich meinst, möchte ich, dass du mir eine Arbeit abnimmst! Bitte rüste dich mit Abfallsäcken ein und sammle die ganzen Blätter ein, welche zahlreich von den Bäumen herabgefallen sind und die nun haufenweise vor meiner Haustür liegen. Wenn du damit fertig bist, gib sie nicht mir, sondern streue sie bitte über die Wiese deines Gartens aus und achte darauf, dass sie nicht davonfliegen.“

Die ehemals unehrliche, aber inzwischen einsichtige Freundin tat wie ihr geheißen und mühte sich in den darauffolgenden Tagen ab, sämtliche Blätter einzusammeln. Wie ihr aufgetragen, streute sie dann alles über ihre eigene Wiese aus...

Zerknirscht und nachdenklich darüber, was diese Aktion zu bedeuten hatte, welche ihr vollkommen sinnlos erschien, ging sie verwundert und reumütig zur Freundin um ihr mitzuteilen, dass sie nun alles so getan und erledigt hatte, wie ihr aufgetragen wurde:
"Ich habe jedes einzelne Blatt vor deiner Haustür in Tüten und Säcke zusammengetragen, um sie dann wieder in meinem Garten auszustreuen, doch der Wind hat sämtliche Blätter in alle Himmelsrichtungen verweht. Es war für mich völlig unmöglich, sie festzuhalten, willst du mir dennoch vergeben?"

"Vergeben ja, vergessen aber nicht“, erwiderte die Freundin, da du das, was du mir angetan hast, nicht ungeschehen machen kannst! Es soll dir ein Beispiel und eine Lehre sein, denn siehst du, so wie es mit dem Laub und dem Wind ist, ist es auch mit den Gerüchten, Unwahrheiten und üblen Nachreden! Einmal in die Welt gesetzt und ausgestreut, kann man sie weder aufhalten, noch jemals ZURÜCKNEHMEN.“

© Rosanna Maisch




© LYRIK + POESIE by Rosanna Maisch